Geschrieben von Rudolf Bienas †
Vortrag vom 13.02.09 Autor Rudolf Bienas †
Wismar fiel 1648 durch den Friedensvertrag von Münster und Osnabrück als Reichslehen an das Königreich Schweden. Das heißt, dass der schwedische König dem deutschen Fürstentag angehörte, andererseits war Wismar kein schwedisches Reichsland. Das erklärt, dass in Wismar keine Münzen nach schwedischem Fuß geprägt wurden, ja sogar den deutschen Reichsapfel trugen.
Nicht desto trotz unterlag die Gerichtsbarkeit schwedischer Rechtssprechung, erkennbar daran, dass im Gebäude des „Fürstenhofes“ das Königlich-Schwedische Tribunal seinen Sitz hatte. Das Tribunal wurde 1653 errichtet. Sein erster Vizepräsident war der bekannte Rechtsgelehrte David Mevius, dessen Sammlung von Gerichtsurteilen noch lange nach seinem Ausscheiden als eine Art Leitlinie für Gerichtsurteile galt, ähnlich den heutigen Entscheidungen der Landesgerichte für die Kreisgerichte. Das Mevius- Epitaph in der Nikolaikirche wird zurzeit restauriert.
Das Tribunal war zuständig für Gerichtsfälle aller schwedischen Besitzungen in Deutschland. In Wismar blieb die niedere Gerichtsbarkeit größtenteils beim Rat der Stadt. Ausgenommen waren hier schwedische Soldaten, schwedische Bedienstete und die Mitglieder des Tribunals, sowie der Komplex des Fürstenhofes. Verhandelt wurden aber im Tribunal auch Widersprüche gegen Urteile des städtischen Gerichts. Wegen der Grenzziehung waren auch Zoll und Akzise an Schweden abzuführen, was Wismar seines wirtschaftlichen Hinterlands abtrennte, Wismar war „Ausland“.
Da Schweden kriegerisch sehr aktiv war, versuchte es, Wismar als strategischen Punkt und Brückenkopf an der südlichen Ostsee auszubauen. Deshalb wurde Wismar nach 1648 stark befestigt und erhielt die entsprechende Besatzung. Natürlich war Wismar wegen seiner Lage ein beliebtes Zielobjekt bei kriegerischen Auseinandersetzungen Schwedens mit seinen mitteleuropäischen Nachbarn (von denen es einige gab), zum Beispiel um 1675. Infolge eines Bündnisses Schweden/Frankreich von 1672, schloss sich Dänemark 1673 Holland an. Als Schweden auf drängen Frankreichs einen Krieg gegen Brandenburg begann und im Juni 1675 die Schlacht bei Fehrbellin verlor, rüstete sich Brandenburg zumKrieg gegen Schweden. Es wurde beabsichtigt Wismar anzugreifen, sobald die dänische Flotte den Brandenburgern Unterstützung leisten könne. Anfang August 1675 erschienen die Brandenburger vor Wismar, einen halben Monat später stießen die Dänen dazu.
Nach der zwischenzeitlichen Besetzung der Insel Poel erschienen die Verbündeten wieder vor Wismar. Im September einigten sich der große Kurfürst und König Christian V. von Dänemark, dass Wismar nach der Einnahme Dänemark zufallen solle. Die Lage vor Ort: Der schwedische Gouverneur General Wrangel befehligte einschließlich der Offiziere 1440 Mann (plus 14 Constabler = Kanoniere), verstärkt durch die Bürgerwehr. Dagegen standen vor den Toren: 5000 dänische berittene und Fußtruppen. Dazu kamen noch die Brandenburger Reiter und Fußtruppen, sowie kaiserliche Regimenter, deren Zahl nicht genannt ist. Die Lage war also recht ungünstig. Als wirksame Maßnahme erwies sich die Sperrung des Hafens am 24. Okt.1675. Schon lange vorher wurde das letzte einfahrende Schiff registriert (am 2.0kt.) und das letzte auslaufende Schiff gemeldet (13.0kt.). Das erste nach der Öffnung kam am 18. Dezember 1675 aus Sonderburg in Wismar an. Die einsetzende Beschießung der Stadt führte nur zu geringen Menschenverlusten. 12 Bürger fanden den Tod bei über 12 000 Kanonenschüssen und über 500 Einschlägen von Granaten. 1200 Bürger kamen dagegen durch Krankheiten, vor allem nach Abzug der dänischen Truppen und nach der Einnahme der Stadt ums Leben.
Die Dänen warfen vor den Toren Schanzen auf und forcierten ihre Angriffe, vor allem in den Raum am jetzigen Turnerweg. Wegen des strengen Frostes und die dadurch entstandene Verfestigung des dort vorhandenem morastigem Bodens erwog Wrangel, die Stadt zu übergeben. Als Ende November, die Witterung umschlug, war das offensichtlich nicht nötig. Dafür verstärkten die Angreifer den Druck auf den vor dem neuen Werk liegenden Werder (heute psychiatrische Abt. des Krankenhauses).
Eine Stunde nach Beginn des Angriffes am 13. Dezember wurde dieser Hügel erobert, was den Kampfeswillen nachdrücklich schwächte und dazu führte, dass der Fähnrich der Bürgerwehr die weiße Fahne hisste. Das machte General Wrangel der Stadt später zum Vorwurf, gegen den sich die Stadt aber vehement verwehrte. Die Verhandlungen der Übergabe wurden von General Wrangel und dem dänischen Generalmajor Schack unter Einbeziehung von Tribunalsvertretern und Vertretern der Stadt geführt. Noch am 13. Dezember sollte das Mecklenburger Tor den Dänen übergeben werden. Die schwedische Besatzung sollte einen Tag später nach Soldaten-Manier vor die Stadt abziehen und dort drei Tage lagern, um mit den Bürgern abrechnen zu können!!
Die schwedischen Beamten konnten mit ihrem beweglichen Besitz abziehen oder in der Stadt verbleiben. Das Tribunalsarchiv sollte den Dänen übergeben werden, damit wie es hieß „die Privati in ihren Justizsachen nicht gefährdet sei.“ Das sind nur einige Dinge, die in den Verhandlungen geregelt wurden. Erst im November 1680 räumten die Dänen die Stadt Wismar, um sie Schweden zu übergeben. Am 20. Oktober traf der dänische König Christian V. vor der Stadt ein, was in der Stadt schon am nächsten Tage bekannt wurde. Am 10. November kam die Königin Charlotte Amalie dazu. (Sie war eine Prinzessin von Hessen-Kassel) Erst am 16. Dezember zog Christian mit Charlotte Amalie, seinem Bruder Georg und dem gesamtem Hofstaat durch das Mecklenburger Tor in die Stadt ein. Nachdem in der Marienkirche ein festliches „Te deum laudamus“ gesungen wurde (deutsch „Großer Gott wir loben Dich.. „) und eine Dankpredigt in dänischer Sprache gehalten war, verfügten sich König Christian und die Vertreter der Stadt zum Rathaus wo diese den Treueid leisteten. Am Abend verließ der König die Stadt und zog sich in sein Quartier zu Mecklenburg zurück. Soweit zum Tagesgeschehen der Eroberung.
Anlässlich der Annäherung und Eroberung von Wismar gibt es viele zeitgenössische Abbildungen, aber auch aus späteren Jahren. Weiter sind die beiden Medaillen zu erwähnen, die aus diesem Anlass geprägt wurden und hier als Gips vom Original aus dem Schweriner Münzkabinett, sowie als einseitiges Galvano und als Replik vorgelegt werden.
Vorweg ein wenig pikante Historie: Das 17. und 18. Jahrhundert war das Jahrhundert der Mätressen. Ein Fürst der etwas auf sich hielt und es sich leisten konnte, hielt sich eine Mätresse. Man unterschied diese Damen in Mätresse „regnante“ und Mätresse „en titre“. Während die erste Art sich in die Regierungsgeschäfte einmischte (Beispiel Gräfin Cosel/Sachsen, Pompadour/Frankreich), und neben der Regentin stand, war die zweite Art nur zur Präsentation, für Lustbarkeiten und das Liebesleben des Fürsten zuständig. Auf jeden Fall waren sie gesellschaftliche Größen und erhielten eine Apanage, die manchmal sogar die Apanage der Regentin überstieg! Die Mätresse „regnante“ war ein politischer Machtfaktor des Regenten gegenüber dem Adel und den Städteparlamenten. Christian V. (reg. 1670-1690) war der erste dänische König, der eine offizielle Mätresse hatte und eine genaue Etikettenliste aufstellte. Seine Mätresse war eine 15jährige Bürgerliche, Tochter eines Leibarztes, die er als Gräfin Danneskjold Samsö in den Adelsstand erhob.. Auf der Insel Sasmsö, die im Großen Belt liegt, sollen noch heute Nachfahren der Gräfin leben.
Die Gräfin erwies der Charlotte Amalie, wie es hieß: .. „stets die gebührende Ehre“. Trotzdem litt Charlotte Amalie unter diesem Zustand. Sie war Realistin und erfüllte alle, ihr zukommenden Pflichten. Sie ritt sogar an der Seite von König Christian in den Krieg und soll selbst unter einem Kugelhagel nicht mit der Wimper gezuckt haben. So ist sie auch vor Wismar gewesen, wenngleich auch der Kampf bei ihrem Eintreffen schon beendet war. Kommen wir zu den Medaillen, die anlässlich der Eroberung 1675 geprägt wurden. Es sind zwei Medaillen in verschiedenen Varianten bekannt. Die erste ist der Eroberung zuzuordnen.
Auf dem Avers die trauernde Stadtgöttin kniend vor Trophäen, u.a. vier Fahnen (Diese in zwei Varianten: Mit zwei und mit vier Schäften). Die Umschrift lautet: PULCHRUM: ULCISCIER: A VOS Was frei übertragen heißen soll: Schön ist es seine Vorfahren zu rächen. Unklar ist, was der Schreiber damit meint. Im Abschnitt unten ist zu lesen: WISMARIA EXPUGNATA/ 13. DECEMBRIS/ 1675 IH was auf die Eroberung am 13. Dezember 1675 hinweist, sowie IH für den Münzmeister.
Auf dem Revers ist die seeseitige Ansicht von Wismar mit Schiffen im Hafen und der Bastion Walfisch und Reitern. Auch die „Sparbüchs“ ist zu erkennen. Die Sparbüchs ist die Sperre der Hafeneinfahrt. Die Umschrift lautet: VIRTUS REPUSAE NESCIA; was übertragen heißt „Tapferer Widerstand war nötig“, was sich auf den Text der vorderen Seite bezieht. Interessant ist zum einen, dass die Größe, trotz unterschiedlicher Stempel, recht geringe Toleranz ausweist (49,5 bis 51,5 mm), dagegen reicht die Masse der Medaille von 30,8 Gramm bis 49 Gramm. Vermerkt sein noch, das der Bürgermeister Kasper Voigt sich 1676 um einen Goldabschlag bemühte. Da bisher so ein Stück noch nicht aufgetaucht ist, kann ein Erfolg der Bemühungen nicht bestätigt werden. Der Münzmeister IH soll nach Grimm der Johann Höhn aus Danzig sein. Heute wird allgemein die Meinung vertreten, dass es sich um den Dänen Jeremias Herkules (Herklus) handelt. Alle bekannten Varianten sind in Silber geprägt. Interessant ist, dass Herkules, der kaum in Wismar gewesen sein wird, die Stadt also nicht von Angesicht kannte. Als Vorlage hat er sich der Abbildung bedient, die Merian in seiner TOPOGRAPHIA GERMANIAE- Ausgabe anno 1653 veröffentlichte. Herkules gab auf der Medaille aber die Bastion Walfisch und weiteres Gelände im Vordergrund dazu. Wie auf der Grafik tragen die Türme St. Marien und St. Nikolai noch ihre spitzen, hoch aufragenden Helme. Das Wassertor zum Hafen ist deutlich zu erkennen.
Die zweite Medaille ist auf die Annäherung des königlichen Paares an die Stadt bezogen. Sie zeigt das Königspaar hintereinander nach rechts sehend. Christian mit großer Perücke, einem Schal und dem Elefanten-Orden über dem Harnisch, die Königin im Mantel mit Perlhalsband, und Perlendiadem im krausen Haar. Interessant ist ihre Hand auf der Schulter des Königs, was das gute Verhältnis zwischen den beiden belegt. Auf dem Revers ist der König nach rechts reitend dargestellt. Erträgt einen Harnisch, einen gefiederten Helm und einen Kommandostab. Auf der Pferde-Schabracke sind einige Blumenranken oder sein gekröntes Initial zu sehen. Im Hintergrund erkennt man Reiter und Fußtruppen und mit etwas Phantasie die Silhouette der Stadt Wismar. Ganz unten die Initialen J.H. für Jeremias Herkules. Ansonsten ist auf der Medaille keine Schrift vorhanden. Der Durchmesser schwankt hier ebenfalls gering, bis auf ein Stück, das nicht mit 54 bis 56 mm angegeben ist, sondern nur 50 mm sein soll. U.U. kann es sich um einen Übertragungsfehler handeln. Alle bekannten Stücke bis auf drei sind in Silber geprägt. Zwei Stücke in Kupfer bzw. Bronze erwähnt. Auf der Auktion Künker vom Oktober 2008 Nr. 4771 wurde ein Exemplar in Gold für 15 000 Euro angeboten und für 30 000 versteigert.
Der Durchmesser ist mit 55,7 mm angegeben, die Masse mit 72,99 Gramm! Besonders interessant ist ein Stück das nicht geprägt, sondern graviert und ziseliert ist. Der Durchmesser beträgt 55,5 mm, die Masse 42,91 Gramm, Material Silber. Es befand sich in der Hand eines Sammlers von Fehmarn und wurde bei Künker in der 51. Auktion September 1999 angeboten.
Künker sieht das Stück als Juwelierarbeit an und meint es als Vorlage für Herkules zu bestimmen. Dasselbe Stück wurde in der Hirsch-Auktion Februar 2001 angeboten, wie die Fotovorlage beweist. Hirsch hält sich mit der Bestimmung an Künker, macht aber falsche Angaben im Text: Er schreibt die Belagerung den Schweden zu, nennt das Königspaar schwedisch!! Man sieht hier, dass man auch bei Katalogen aufpassen muss!! Von der Herstellungsart dieser Medaille gibt es im nordwestdeutschen Raum einige andere Muster nach Medaillen, deren Prägungen nicht von Herkules stammen, berichtete ein Bremer Münzfreund.
Zu den Vorlagen: Die Abbildungen sind bearbeitete Fotomontagen. Quelle Künkerkatalog, Replik, Katalog der Landesausstellung „l000 Jahre Mecklenburg“ und Abbildungen aus Privatbesitz mit unbekannter Herkunft. (Unentgeltliche Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung durch den Autor)